Thunderbolts oszillieren zwischen kreativ und cringe

© Disney
6 von 10 düsteren Gedanken
Thunderbolts: Helden mit Depressionen kämpfen gegen Superschurken mit Superdepressionen.
Ich finde, das reicht als Filmrezension.
Auf Wiedersehen.
Kleiner Schwerz… na schön, wo fange ich an? Vielleicht mit einer Frage: Was ist nur mit dem Marvel Cinematic-Universe passiert?
Nach Avengers: Endgame und damit dem Ende von Phase 3, wurde die Welt der Superhelden zu einer wilden Berg- und Talfahrt. Die zurückliegende Phase 5 bescherte uns zwar unterhaltsame Kost wie Guardians of the Galaxy 3 und Deadpool & Wolverine, aber eben auch lauwarme Würstchen wie Captain America: Brave New World (RT: 48%) und Kraven the Hunter (RT: 15%). Wobei letzterer ja Sony ist und nur inhaltlich irgendwie dazu gehört.
Mit Thunderbolts sollte es nun wieder bergauf gehen. Der Film wird atm überall gehyped und sogar die selbsternannten Filmexperten der verrotteten Tomaten sehen ihn bei 88%. Die Zuschauerwertung liegt sogar im 90er-Bereich.
Doch hat er diesen Hype verdient?
Nicht wirklich. Ja, er ist sicherlich wieder ein Schritt in die richtige Richtung und besser als einige Gurken, die vorher kamen, aber auch keine typische Marvel-Popcorn-Spaß-Granate.
Dafür sorgt allein die für einen Marvelfilm sehr düstere Grundthematik, die sich um mentale Probleme, insbesondere die gute alte Depression dreht. Eigentlich sollte sich eine zynisch-sarkastische Truppe von Antihelden mit ihrem Galgenhumor ja super daran kontrastieren – tun sie auch hin und wieder. Nur leider ist der Humor eben nicht geiler schwarzer James Gun-Suicide Squad-Humor, sondern mainstreamiger, weichgespülter Marvel-Humor.
Hinzu kommt, dass es wieder einige Szenen und Momente gibt, bei denen ich mich frage, wie so ein „Lazy Writing“ zu Stande kommen kann?
Wer den Film noch sehen will: MASSIVE SPOILER FOLGEN!
Beispiel: Ein weiblicher Bösewicht will alle Superagenten und Supersoldaten, die mal für sie gearbeitet haben, mit einem Schlag aus dem Verkehr ziehen. Dafür schickt sie alle zum selben Ort um einen jeweils anderen „Helden“ umzubringen. Nur ist der Ort eine Todesfalle, die White Widow, Taskmaster, US-Agent, Ghost und andere in einer Art Hochverbrennungsanlage abfackeln soll. Wenn das der Plan ist, wieso wird dann ein Countdown in dem Raum eingeblendet, der den Helden zeigt, wieviel Zeit ihnen noch bleibt, um einen Fluchtplan zu entwickeln? Kleiner Tipp von mir: Das nächste Mal einfach die Mausefalle mit Feuer fluten – aus die Maus. Doch noch bescheuerter ist es, wenn man eine wichtige Stromversorgung, die für das Funktionieren der Falle essentiell ist, im selben Raum wie die Falle unterbringt. Natürlich wird diese zerstört und unsere Antihelden können entkommen. Das war so dämlich, dass ich mit den Augen rollen musste.
In einer anderen Szene kommt Bucky auf seinem Moped angebraust und „verhaftet“ mal kurz die vier abtrünnigen Antihelden. Er schieß eine Granate. US-Agent schreit. Nächste Szene: Alle vier sitzen gefesselt am Boden. Wait what? Ich verstehe ja, dass der Wintersoldier eine coole Sau ist und aus der ehemaligen Blütezeit des MU stammt, aber könnt ihr mir das nächste Mal wenigstens ZEIGEN wie er das gemacht hat? Er ist zwar ein Supersoldat, doch Red Guardian und US-Agent sind das auch. Ihr wollt mir also weißmachen, dass er, ohne ins Schwitzen zu kommen, 2 andere Captain Americas, plus White Widow und Ghost mal kurz besiegen und fesseln kann? Mal ganz davon abgesehen, dass sie teilweise mit irgendwelchen verbogenen Metallstangen gefesselt sind, die die Supersoldaten natürlich nicht mit ihrer Stärke aufbiegen können, damit der Plot funktioniert.
Seufz.

Gut, aber in Comics passieren ja auch ab und an Dinge, die nicht unbedingt schrecklich viel Sinn machen. Darüber hätte ich ja hinwegsehen können.
Doch der Rest des Films ist für mich auch kein Mega Highlight. Durch die Thematik mit den lebensmüden, deprimierten Antihelden kommt es auch immer wieder zu recht langatmigen Mimimimiiii-Szenen, in denen einfach nichts passiert.
Und der neue Alpha-Held „Sentry“, eine Art Marvel-Superman, bekommt nur eine einzige kurze Szene, in der er mal richtig abgehen darf. Die macht auch Spaß und ich hätte gerne mehr von ihm gesehen, doch leider bleibt es dabei.
Denn nun muss seine Schattenseite, seine personifizierte Depression namens „Void“ den Rest der Filmzeit einnehmen. Void sieht mit seinen leuchtenden Augen, die mich an die der Jawas aus Star Wars erinnert haben, echt cool aus, aber wie er Passanten einfach in Schatten auflöst und die Stadt immer dunkler werden lässt ist so… boring?
Ganz cool ist, dass die Thunderbolts dann in Bobs (Sentrys) Psyche eindringen und Void auf diese Weise besiegen müssen. Das hatte was von The Cell (2000) mit J-Lo, war aber auch nicht wirklich neu. Leute mussten ja auch schon in den Geist von Professor X eindringen etc.
Wie sie Void dann besiegen macht aus therapeutischer Sicht durchaus Sinn. Als jemand, der selbst schon durch die Hölle gegangen und katholische Priester am Spieß mitgebracht hat, kann ich das bestätigen.
Tja, ich bin bei Thunderbolts wirklich hin und hergerissen. Er hat hier und da nette Action und Humor. Aber, wenn ich nun an ihn denke, will mir mein Hirn kaum erinnerungswürdige Szenen zeigen.
Trotzdem ist der Film ein nettes Setup für den neuen Kern der Avengers. Ein wenig freue ich mich doch darauf diese „Mann sind wir Scheiße“-Antihelden noch mal in Aktion zu sehen – immer mit Bob in der Hinterhand, der einfach mal die Kraft von einer Million explodierender Sonnen hat…
Apropos Setup:
Jokes on you, wenn jemand mal wieder sofort das Kino verlassen hat. Ja, die Abspannszenen sind nicht immer mega, aber manchmal eben doch. Diesmal hat es vor allem die zweite Abspannszene in sich. Nicht nur, dass sie wertvolle Infos über die Connection zu anderen Helden und Universen gibt, sie enthält auch, gefühlt, mehr geile Gags als der ganze vorherige Film.
PS: Irgendwie lustig, wie oft ich beim zweiten Durchlesen dieses Artikels das Wort Thundercats gegen Thunderbolts austauschen musste…