Ich liebe Gotham trotz seiner 5 Schwächen

© Fox

Oh Junge, war das ein Fehler. Als 2014 erstmalig eine Serie namens Gotham ausgestrahlt wurde, ließ ich diese sofort mit einem überheblichen Lächeln links liegen. Eine DC-Serie, die VOR Batman spielt? Also OHNE Batsy? Das konnte ja nur langweiliger Möchtegern-Crap sein. Damals dachte ich noch Gotham wäre sowas wie das DC-Äquivalent zu Marvels Agents of S.H.I.E.L.D., deren Team auch ohne seine bekanntesten Helden auskommen musste und deswegen schnell von mir wieder aufgegeben wurde.

Doch besser spät als nie! Glücklicherweise nervte mich ein guter Freund so lange mit Gotham, bis ich endlich nachgab. Und dann fiel mir die morbide Schönheit von Gotham wie Patronenhülsen aus der Knarre. Die ganze Aufmachung der Serie ist wunderbar atmosphärisch, als würde sie in einem düsteren und leicht wahnsinnigen Paralleluniversum spielen. Was sie als TV- und DC-Serie natürlich auch tut.

Doch was die Serie wirklich so absolut empfehlenswert macht, sind die schillernden Charaktere!

Ich habe vollkommen unterschätzt wie interessant es sein kann, die Origin Stories der berühmtesten Batman-Gegner zu verfolgen und viele von ihnen ins Herz zu schließen. Teilweise hat mir meine eigene Sympathie schon etwas Sorgen bereitet, da es immer noch um kaltblütige Mörder und wahnsinnige Verbrecher geht. Doch die Bösewichter sind definitiv Dreh- und Angelpunkt in dieser Krimiserie, in der die „guten Jungs“ häufig nicht mehr als das nötige Licht zum Schatten sind.

Trotzdem gibt es in Gotham keine schlechten Schauspieler.

David Mazouz macht als Teenager-Bruce Wayne und angehender Batman einen soliden Job. Seine schwarze Föhnfrisur und sein verbitterter Blick sind alles, was für die Rolle gebraucht wird. Etwas an die Wand gespielt wird er von Sean Pertwee als Alfred Pennyworth, der mit seinem herrlichen Akzent den perfekten Butler mimt.

Ebenfalls solide sind Ben McKenzie als Officer James Gordon mit treuem Hundeblick und sein meist angetrunkener Kollege Harvey Bullock (Donal Logue kannte ich bisher nur als Quinn, den toughen Vampirkumpel von  Deacon Frost aus Blade).

Hassliebe: Pinguin und Riddler. © Fox

Unter den männlichen Schurken haben mich besonders John Doman als Mafiaboss Carmine Falcone und 3 etwas bekanntere Namen beeindruckt: Cameron Monaghan als Jerome und Jeremiah Valeska (Prototypen des späteren Joker), Cory Michael Smith als Edward Nygma bzw. The Riddler und der grandiose Robin Lord Taylor als Oswald Cobblepot aka Pinguin! Gerade letzterer war für mich eine Offenbarung. Wie kann man den schrulligen Cobblepot nicht für immer lieb haben, ganz gleich was er anstellt? Vermutlich ist er so ein Sympath, weil er sich von ganz unten hochkämpft und immer wieder durchbeißt, ganz gleich, wie tief er in der Autopresse steckt.

Doch wirklich überrascht haben mich die weiblichen Bösewichter, die selbst die männlichen nochmal überflügeln.

Auf der Seite der „Guten“ (oder zumindest nicht immer niederträchtigen) macht die niedliche Camren Bicondova als Selina “Cat” Kyle eine gute Figur. Dass aus dem rebellischen Straßenkind mal Catwoman wird, habe ich sofort geglaubt.

Doch neben diversen amoralischen Töchtern, Poison Ivy und der aufreizenden Tigress haben mich zwei Femme Fatales komplett vom Barhocker des Sirenen-Nachtklubs gehauen:

Zum einen Jada Pinkett Smith als extrem wandelbare Überlebenskünstlerin Fish Mooney. Mega, wie ich irgendwann jeder neuen Szene mit ihr entgegengefiebert habe. Spätestens bei ihrem unfreiwilligen Besuch im „Alcatraz-Krankenhaus“ war sie für mich „toughest woman…“, ach was sage ich, „toughest human alive“.

Nur noch getoppt wird sie vollkommen unerwartet von Erin Richards als Barbara Kean. Wow. Einfach nur wow, wie dieser unscheinbare Name von „lieblichem Anhängsel von Jim Gordon“, über „laszive Irre“, zu „knallharter Unterweltboss“ und wieder zurück wandert. Das war unerwartet großes (Serien-)Kino.

Drei von Gothams “Sirenen”: Cat, Barbara und Tigress. © Fox

Doch trotz aller Liebe für Gotham, gab es auch eine Menge Filmfehler, Plot Holes und Augenrollmomente, die mir aber nie den Spaß an der Serie genommen haben. Die folgenden 5 seltsamen Komponenten von Gotham habe ich mehr schmunzelnd als verärgert zur Kenntnis genommen:

1: Feuergefechte sind nur Plot Device

„Das ist Gotham, Baby“. Diese sarkastische Meta-Phrase der Produzenten, die häufig nach grotesken Gewalttaten geäußert wird, beschreibt den Ton von Gotham eigentlich sehr gut: Die Stadt ist vollkommen durchgeknallt, düster und jeder Idiot hat eine Waffe. Nur eben dann nicht, wenn es drauf ankommt. So kann es schon mal sein, dass ein professioneller Attentäter versucht auf einem Motorrad einen Drive-By mit einem Rambo-Messer zu machen. Nur noch getoppt von den 3 „besten“ Assassinen, die Jim Gordon auf den Hals gehetzt werden. Der erste versucht ihn mit einer Garotte im Aufzug zu erwürgen. Vermutlich weil eine Pistole zu langweilig wäre. Der zweite erscheint mit einem Messer zur Schießerei. Und der dritte erschießt erst alle Polizisten, die im Weg sind, und greift dann Gordon mit einer rostigen Kette an. Ich mache keine Witze, „Das ist Gotham, Baby“.

Ach ja und dann wäre da die Sache mit der Treffsicherheit. Spätestens wenn sich zwei bewaffnete Banden mit Maschinengewehren gegenüberstehen und ohne Deckung losballern, wird klar, dass in Gotham Feuergefechte keine Logik besitzen, sondern nur eine bestimmte Handlung voran treiben sollen. Manchmal, wenn es die Story verlangt, steht jemand in einem Kugelhagel, der aus 5 Metern Entfernung abgesondert wird, als ob es Seifenblasen wären. Und in der nächsten Szene betritt jemand eine Halle und schießt mit einem Revolver 5 Leuten auf große Distanz gezielt in den Kopf.

Oder Dr. Freeze, der Typ mit der Eiskanone, steht nur wenige Meter entfernt, aber alle schießen minutenlang auf seine Rüstung. Es wird sogar in Nahaufnahme gezeigt, wie an Schultern und Brust die Kugeln querschlagen. Nur den in seiner Eisrüstung gut beleuchteten Zielscheiben-Kopf kann niemand treffen. Unmöglich, weil er leben muss. Tja, ich habe nie eine Serie mit so unlogischen Feuergefechten gesehen. Aber man gewöhnt sich dran. Wenn man einmal für sich verbucht hat, dass Feuergefechte nur Plot Device sind, dann kann man sich wieder auf die genialen Charaktere konzentrieren.

2: Tag der offenen Tür bei Wayne Manor

In den 5 Staffeln von Gotham wurde sehr geschickt und sparsam mit Sets gehaushaltet. Spätestens nach der 2. Staffel hat man alle 10 Drehorte in Gotham gesehen. Einer davon ist der Kaminraum im Erdgeschoss von Wayne Manor, welches allgemein nur aus Küche und eben diesem Raum zu bestehen scheint. Das Wiederverwenden der Drehorte hat mich jedoch nie gestört.

Die Unbelehrbarkeit der Waynes war da schon alberner. Dass jeder zum offenen Fenster rein und rausspazieren kann, wann immer es beliebt, ist im Fall von Selina “Cat” Kyle ja noch unterhaltsam und vom Milliardenerben mit Samenstau auch durchaus gewünscht. Aber nachdem sowohl Alfred als auch Bruce schon zigmal in ihren eigenen vier Wänden angegriffen, gedemütigt oder gleich entführt wurden, sollte man doch meinen, dass Zäune, Wachen oder sonstige Abwehrmechanismen angebracht wären, oder? Am Geld kann es ja nicht wirklich scheitern… trotzdem Fehlanzeige. Vermutlich sind die Waynes Masochisten.

3: Der Tod ist erst der Anfang

Um es mit der knallharten Barbara Gordon zu sagen: Ihr hättet meinen Puls checken sollen!

Wenn in Gotham jemand getötet wird, dann heißt das erstmal nicht, dass er oder sie tot ist. Wird z.B. jemand erschossen, gibt es drei Möglichkeiten:

1. Man ist einfach nicht tot. Punkt. So einfach ist das. Wie z.B. der Pinguin, der vom Riddler erschossen und ins Hafenbecken geworfen wird: Wir sehen, wie er in einer Wolke aus Blut versinkt. Kugel im Bauch und ertrinken sollte den Job erledigen. Dann ist er einfach wieder da mit der Begründung „jemand hat mich rausgezogen“. Ok… 

2. Man wird von den zwielichtigen Wissenschaftlern von Indian Hill wiedererweckt. Tote beleben ist deren einfachste Übung. Bei Bedarf können noch Specials wie übernatürliche Kräfte in den Warenkorb gelegt werden.

3. Man bekommt durch den Tod nur ein „Upgrade“. Wie der gute Butch, der durch die Giftabfälle von Arkham zu dem superstarken Untoten Solomon Grundy wird.

Aber das alles passt natürlich auch gut zu Gotham und vertieft nur die übernatürliche, düstere Atmosphäre der Stadt. Der Running Gag „der schläft nur“ oder „keiner von denen ist tot“ etabliert sich beim Schauen der Staffeln allerdings recht schnell.

4: Schmale Teens und winzige Fräuleins = riesige Kräfte

Es gibt etwas das nennt sich „Suspension of disbelief“. Der Begriff bedeutet, dass wir als Zuschauer Logik und kritisches Hinterfragen an den Nagel hängen zugunsten der puren Freude beim Zuschauen. Nur sollte dies auf den Regeln der Welt begründet und kein Totschlagargument für „lazy story telling“ sein.

Wenn sich Poison Ivy 20 magische Tränke reinfährt und danach die Polizisten durch die Gegend wirft als wären sie Kamelle, ist das vollkommen nachvollziehbar – auch wenn ich weiß, dass sowas in Wirklichkeit nicht existiert (nur in Area 51 vielleicht…). Auch dass Cat einige Typen vermöbeln kann, seit eine seltsame Knolle ihr Rückgrat regeneriert hat, lasse ich mir gefallen.

Aber wenn eine zarte Handlangerin ohne übernatürliche Verbesserung den 120 Kilo Harvey durch die Gegend schleudert als wäre sie der Terminator, muss ich schon lachen. Ebenso reißt es mich aus der Illusion, wenn Teeny Bruce nach ein paar Kung Fu-Stunden 4 erwachsene Männer, die ihm rein physisch einfach krass überlegen sind, zusammenfalten und Schläge von ihnen einstecken kann, als wäre das gar nichts. Später als Batman ok, aber als schmaler Teen mit Föhnfrisur? Naja…

5: Prämisse von Staffel 5 – Gotham als Mikrokosmos

Leider muss ich sagen, dass die letzte Staffel, die auch nur ca. die Hälfte der Folgen umfasst (12 statt 22) die schlechteste ist. Immer noch unterhaltsam, nur leider ist ihre Ausgangslage für mich etwas seltsam gestrickt.

Kann man Gotham auf dem Landweg wirklich nur über Brücken erreichen? Und nur weil diese Brücken gesprengt wurden, verwandelt sich ganz Gotham sofort in Sodom und Gomorra? Die Regierung schreitet nicht ein mit der Begründung, dass ja jetzt Anarchie herrscht? Schiffe oder Flugzeuge können keine Güter in die Stadt bringen? Im Gegenteil: Lieber noch den Hafen verminen, damit auch wirklich kein Schwein entkommen kann.

Hach! Gäbe es doch nur einen Multimilliardär in der Serie, für den Geld keine Rolle spielt und dem das Wohl von Gotham am Herzen liegt! So einen, der einfach 1000 Hubschrauber kaufen und Piloten mit Millionen bestechen könnte. Tja schade. Doch leider gibt es nur Bruce Wayne, der EINEN GANZEN Hubschrauber mit Hilfsmitteln kommen lässt, der dann aber natürlich sofort von den Bekloppten in Gotham vom Himmel geschossen wird…

Naja, aber dafür war die letzte Folge, in der Bruce Wayne als Batman in die Stadt zurückkehrt, grandios und ich bin richtiggehend traurig, dass nun nicht noch mindestens eine weitere Staffel mit den Abenteuern des jungen Batman folgt.

Gotham ist auf jeden Fall trotz seiner „Besonderheiten“ sehr empfehlenswert und ich bin froh es nachgeholt zu haben.

Über Thilo (1200 Artikel)
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