Mortal Kombat 11 ist cineastische Gewalt auf ihrem (unnötigen) Höhepunkt

Da kann man wohl zweigeteilter Meinung sein, ob so ein Move funktioniert © Warner Bros. Interactive Entertainment

Gestern hielten die Freunde des gepflegten Knochenbrechens in London die Luft an. Um 19.30 Uhr präsentierten die Netherrealm Studios endlich in einem großen Reveal Event ihre neue Symphonie des Grauens: Mortal Kombat 11.

Ben Schamma, der beste Witcher- und Darth Maul-Cosplayer, den ich kenne, durfte als Scorpion dabei sein und die Leute aus seinen bösen weißen Augen anstarren.

Auf den ersten Blick hat sich im direkten Vergleich mit MKX gar nicht so viel verändert. Doch der Teufel liegt natürlich im Detail.

Zunächst mal sehen die Kampfarenen und Zwischensequenzen wieder atemberaubend aus. Verfallene Tempel, blutige Dungeons und andere apokalyptische Schauplätze sorgen für die typische Mortal Kombat-Atmosphäre.

Hinzu kommt, dass die Entwickler auf eine sehr stimmige Weise ihre bekanntesten Charakterkonzepte weiterentwickelt und optisch stimmig vertieft haben. Wenn Scorpion für Ketten, Feuer und Teleport steht, dann erleben wir nun seine absolute Schokoladenseite. Wenn er die Spitze seines berüchtigten Kettenspeers wie ein Shaolin Mönch kreisen lässt oder einem Gegner mitten im Kampf einen Feuerodem ins Gesicht bläst, kribbelt es mir nur so in meinen Special Move-Fingern. Gleichermaßen läuft es mir vor Freude kalt den Rücken runter, wenn Sub Zero, mein absoluter all time Liebling von MK, eine Eiswand emporschießen lässt, seinen Gegner dagegen schleudert und ihn am Ende noch mit einem gewaltigen Schlag durchprügelt.

Aber wo wir gerade von den berühmten Ninjas jeder MK-Startaufstellung sprechen –

Welche gestörten Knochenbrecher dürfen wir denn in Mortal Kombat 11 aufeinander hetzen?

Diese Torso-Ansicht hat was. © Warner Bros. Interactive Entertainment

Scorpion, Sub Zero, Raiden und Sonja bilden den ersten Kern des Kämpfer-Rosters. Mit Scarlett und Baraka kehren zwei weniger häufige Gäste des Mortal Kombat zurück. Bei all der vollkommen überbordenden Gewalt von Mortal Kombat 11 macht es bei der Superhackfresse mit den Armklingen ganz besonders Sinn, dass er aus seinem längeren Urlaub in die Arena zurückkehrt. Und mit Geras bekommt Raiden ernstzunehmende Konkurrenz, wenn es um gottgleiche Kräfte geht. Als eine Mischung aus Tremor (Erd-Manipulation) und Teal’c aus Stargate (Aussehen) darf er mit seinen Zeitmanipulations-Kräften als der bisher einzige Neuzugang auftrumpfen.  

Konsequent finde ich auch den weiterentwickelten „Barbie-Faktor“. Alternative Kostüme sind ja schon länger eine Option. Doch damit auch wirklich jeder Spieler seine ganz eigenen Vorstellungen vom Outworld-Chique umsetzen kann, lassen sich die Kämpfer komplett individuell einkleiden und mit Accessoires (Waffen…) ausstatten. Auf diese Weise gleicht nicht ein Scorpion dem anderen:

© Warner Bros. Interactive Entertainment

MK11: Wieviel Gewalt ist zu viel Gewalt?

Doch leider missfällt mir dafür eine andere Entwicklung, über die die MK-Schöpfer scheinbar schon länger die Kontrolle verloren haben. Die in der Überschrift erwähnte „cineastische Gewalt auf ihrem Höhepunkt“ geht für mich nun endgültig zu weit. Nicht, dass ich ein zimperlicher Pazifist wäre, der seine Gegner gerne mit sauberen Samthandschuhen aus Nichtraucherhaushalt anfasst. Im Gegenteil. Das Blut darf gerne reichlich spritzen und Knochen dürfen beim Knacken die Charts rauf und runter spielen. Das ist ja schließlich ein Kampfspiel und Fantasy.

Es geht mir vielmehr um Atmosphäre und Glaubwürdigkeit. Erinnere ich mich zurück, dann war Mortal Kombat zunächst einfach nur ein Kampfspiel, in dem Ninjas coole, mystische Spezialfähigkeiten hatten. Sowas wie Fatalities wurden ja nur als versteckte Insider-„Gags“ designed, um in den Spielhallen für Aufmerksamkeit zu sorgen. Doch jedem Spieler war klar: Egal, wieviel Blut während diverser Kiefer-derangierender Uppercuts spritzt – wenn der Kopf nicht mehr auf den Schultern sitzt, ist es vorbei. Oder wenn lange spitze Gegenstände in den Körper gesteckt werden. Oder, oder, oder…

BÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄM! © Warner Bros. Interactive Entertainment

Doch spätestens jetzt, in Mortal Kombat 11, trifft die Gewalt ständig den Ventilator. Wenn fast jeder zweite Move ein Mini-Fatality ist, dann zieht mich das irgendwie aus der Atmosphäre raus. Wenn ich früher Ninja-Filme geguckt habe, konnten die Fighter mit gebrochenen Wirbelsäulen oder durchbohrten Herzen auch nicht mehr weiter kämpfen. Gewalt, die in ihrer Darstellungsform den Level „albern“ schon lange überschritten hat, sollte als Höhepunkt oder nur sparsam als schockierende Würze eingesetzt werden.

Doch hier taumeln die Kämpfer ja von einem X-Ray-Move – diesmal Fatal Blow genannt – zum nächsten. Im Kontrast wirken die Fatalities nun schon fast wie normale Special Moves, nur mit dem Unterschied, dass der Kampf dann nicht mehr weiter geht.

Interessanter Weise scheine ich mit meiner Empfindung diesbezüglich nicht alleine zu sein. Denn bei der Präsentation der neuen Fatalities konnte ich im raunenden Publikum doch einige konsternierte Gesichter erkennen. Das ging über normale Sprachlosigkeit hinaus. Es fühlte sich für mich eher wie Überdruss an.

Ich bin mir sicher, dass Mortal Kombat 11 natürlich trotzdem Spaß machen wird.

Wenn die Kämpferriege mit den richtigen Evergreens und Neuzugängen aufgefüllt wird, hat Ed Boon und sein Team wieder grandiose Arbeit geleistet. Ich frage mich nur, ob sie bei der Darstellung der Gewalt nicht schon 1 bis 2 Spiele vorher eine Wand getroffen hatten? Wie soll das denn im unweigerlich folgenden MK12 und 13 noch getoppt werden? Dreht mal den Bluthahn zu, Jungs, und konzentriert euch lieber auf geile Mechanik, Story und Atmosphäre. Dann packe ich auch in zehn Jahren noch gerne meine Koffer und reise in die Outworld.

Über Thilo (1211 Artikel)
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