Filmkritik: Elysium – Den erhobenen Zeigefinger ins Auge

Elysium Matt Damon

5 von 10 Medibanks

Können jetzt bitte mal Sciencefiction-Filme, auf die ich mich schon länger freue, aufhören mich zu enttäuschen? Leider kann Elysium für mich in keiner Weise mit dem genialen District 9 mithalten. Sicherlich natürlich auch, weil meine Erwartungen an Neill Blomkamp derart hoch waren. Und sicherlich wäre ich in der ersten Hälfte des Films nicht eingenickt, wenn ich nach der anstrengenden Fahrradtour zum Kino die 2 Hefe nicht getrunken hätte.

Trotzdem ist Elysium retrospektiv betrachtet leider nur blutiger Durchschnitt. Der Trick bei District 9 war, dass er sich den Zuschauern in erster Linie als spannender Sciencefiction-Film mit Außerirdischen präsentierte und erst auf zweiter Ebene im Verlauf des Films der Denkanstoß der sozialen und rassischen Ungerechtigkeiten lauter wurde. Leider ist es bei Elysium genau umgekehrt. Der Film lebt bereits von der Prämisse der Zweiklassengesellschaft, wie sie frappierender und klarer getrennt nicht sein könnte. Während die „working class“ im verstrahlten Dreck der großenteils verwüsteten Erde vegetieren muss, leben die Privilegierten im wahrsten Sinne des Wortes im Himmel, auf einer paradiesischen Raumstation, auf der es weder Hunger noch Krankheit gibt. Und erst auf dieser „In Your Face“-Grundlage scheint Blomkamp auf die Idee gekommen zu sein, dass ja auch noch Scifi-Elemente und jede Menge Action rein müssen, um seine wunderbare Blume der sozialen Kritik mit dem notwendigen „Grün“ drumherum zu einem vollwertigen Blumenstrauß aufzupeppeln. Und das wirkte mir insgesamt einfach zu konstruiert.

Spoiler:

Auch dabei: Wikus van der Merwe mit Vollbart.

Auch dabei: Wikus van der Merwe mit Vollbart.

Der „dreckig-realistische“ Look von Elysium hat mir eigentlich auf Anhieb so gefallen wie bei District 9. Doch leider wurde ich schnell das Gefühl nicht mehr los, einfach nur ein „aufgeblasenes“ District 9 vor mir zu haben, nur dass diesmal das dreckige Ghetto in Afrika die ganze Erde ist.

Leider war auch das gesamte Storytelling recht langatmig. Wieso musste ich erst mal den wenig spannende Arbeitsalltag von Matt Damon in der Roboterfabrik miterleben und Zeuge der Dummheit werden, wie er in der Strahlenkammer eingeschlossen wird? Sein Beweggrund, warum er dringend auf eine Medibank in Elysium muss, um geheilt zu werden, hätte man in einem 10 Sekunden Flashback abhandeln können. Boring.

Und überhaupt die Medibanks … Da hat scheinbar jedes Haus in Elysium eine eigene Medibank, auf der z.B. Krebszellen in einem Bruchteil von Sekunden einfach neutralisiert werden können. Ich möchte jetzt gar nicht hoch rechnen wie vielen tausenden von Menschen man innerhalb von wenigen Tagen helfen könnte, auch ohne, dass sie gleich in Elysium eingebürgert werden müssen.

Da muss erst einer das „Hauptprogramm“ von Elysium überschreiben und sich selbst als neuen Präsidenten coden, um eine gerechte medizinische Versorgung zu gewährleisten. Jo, richtig gelesen, man kann die ganze Raumstation einfach mal kurz mit einem neuen Programm überschreiben. Et voila.

Die Raumstation selbst war recht schön in Szene gesetzt und hat mich als alten Rollenspiel-Nerd sehr an die Krapfen-artige Stadt Sigil aus Planescape erinnert. Doch leider ist Optik eben nicht alles. Auch die Kampfszenen mit High Tech-Waffen und fliegenden Dronen waren allesamt nett anzuschauen, fühlten sich jedoch im ansonsten eher seelenlos konstruierten, erhobenen Finger der Sozialkritik fast hohl an. Und da konnte leider auch die rührselige Erdmännchen-Nilpferd-Fabel des Leukämie-kranken Mädchens nichts mehr dran rütteln.

Eine ebenfalls ungeschickte Wahl von Blomkamp war es, Sharlto Copley erneut als Hauptfigur zu casten. Trotz des Vollbartes habe ich sofort den sozial auffälligen Wikus van der Merwe aus District 9 wiedererkannt, der diesmal als beinharter Kopfgeldjäger und Special Agent C.M. Kruger den Antagonisten von Matt Damon mimen sollte. Trotz anderer Rolle, haben mich die gleiche Synchronstimme und zu viele Ähnlichkeiten im Charakter zu sehr an den Stoffel aus D9 erinnert, was eher abträglich für die Glaubwürdigkeit der neuen Söldner-Rolle war. Sicherlich ein subjektiver Eindruck, aber jedes Review ist ja ohnehin ein subjektives Textstück.

Ich glaube, ohne District 9 hätte der Film mehr gerockt, aber im direkten Vergleich fand ich ihn leider nur durchschnittlich unterhaltsam. Ich kann wirklich nur hoffen, dass das Bier am Wegdösen Schuld war…

Über Thilo (1210 Artikel)
Hi, ich bin der Gründer dieses bekloppten Blogs. Außerdem Realitätsflüchter, Romantiker, Rollenspieler, Gamer, Fantasynerd, Kneipenphilosoph und hochstufiger Spinner. Manchmal jogge oder schwimme ich, doch meistens trinke ich Bier.