Aquaman schießt wie ein Torpedo zwischen Kitsch und Kult dahin

Momoa-Man mit Jeans im Wasser – © Warner Bros. Pictures

7 von 10 explodierenden Wänden

Gestern retteten wir uns vor intensivem Dauerregen ins Kino und dachten, dass es nicht mehr viel nasser werden könnte. Weit gefehlt. James Wan tauchte mit uns so tief in die Meere dieser Welt, wie es überhaupt nur möglich ist. Doch manchmal wäre dabei weniger mehr gewesen. Ich muss wohl erklären.

Eigentlich wollte ich diesem kunterbunten CGI-Feuerwerk mit gelegentlichen Dreizack-Kämpfen spontan solide 6 Punkt vergeben. Doch Jason Momoa ist ein so sympathischer Aquaman, dass er allein den Film schon mindestens einen Punkt die Leiter raufschiebt. Und wenn er dafür mit seinem Dreizack oder einem hawaiianischen Schrei nachhelfen muss…

Die Prämisse des Films ist zugegebener Weise keine leicht auf die Leinwand zu übertragende. Aquaman trägt durch Comics und Mithilfe der Popkultur (werde ich jemals Raj in Aquaman-Outfit aus dem Kopf bekommen?) eine schwere Bürde der Albernheit auf den Schultern. Schon in Justice League greift Batman den Ruf des Halb-Atlanters auf: „Hab gehört du kannst mit Fischen reden?“

Hinzu kommt, dass Menschen in der Welt des Aquaman nicht heimisch sind und sich dort fast so verloren fühlen wie im Weltall. Vielleicht erinnern einige Fahrten durch die Städte in und um Atlantis deswegen so sehr an Flüge durch extravagante Raumhäfen aus Neonlicht und fremdartiger Schönheit. Doch Bewegungen, Kämpfe und ganze Schlachten dort glaubhaft zu inszenieren ist nicht einfach und deshalb Teil der monströsen Aufgabe, die sich James Wan mit heroischer Todesverachtung selbst aufgebürdet hat.

Die meiste Zeit fühlt man sich von Wans Vorstellungen auch sehr gut unterhalten und kann sogar die eine oder andere Schwimmbewegung in alberne Gewässer von Ariel der Meerjungfrau verzeihen. Doch gerade gegen Ende verliert sich der Film für mich zu sehr in den CGI-Welten seiner geilen Disko-Space-World, die das Wort Eye Candy teilweise ganz neu zu definieren scheinen.

Ok, was habe ich eigentlich an Aquaman auszusetzen?

Heavy Metal-Man kommt an Bord… RUN – © Warner Bros. Pictures

Grob gesagt: Ohne Jason Momoa wäre Aquaman einfach verdammt teurer Kitsch.

Doch mit dem langhaarigen, Bier-trinkenden Rocker wird es zu einer Guilty Pleasure. (Ich hatte einmal mehr das Gefühl, dass Momoa sich einfach selbst gespielt hat… die Rolle seines Lebens.)

Gerade der Anfang des Films konnte mich voll und ganz überzeugen. Der märchenhafte Einstieg am Leuchtturm und die schön kontrastreiche Überleitung zu diesem tätowierten Muskelmann, der einfach in ein U-Boot einsteigt und allen hart die Fresse poliert – DAS war echt großes Kino und Unterhaltung, die von einem Ohr zum anderen grinst.

Doch dann kommen die gigantischen Welten unter Wasser ins Spiel. Ironischer Weise hat mir Aquaman immer dann am besten gefallen, wenn er an Land war. Wenn Jason Bier trinken, seinen Dreizack schwingen und einfach Charme versprühen konnte. Doch die Herr der Ringe-Schlachten unter Wasser haben den Film für mich zu einer Art kitschigen Seifenoper aufgeblasen, die manchmal ein wenig zu viel des Guten war.

Epische Hai Mounts… normal – © Warner Bros. Pictures

Dabei machen die meisten Schauspieler eine echt gute Figur in ihren Schuppenanzügen (Willem Dafoe, Patrick Wilson, Dolph Lundgren). Doch leider fand ich gerade Aquamans Sidekick Mera mehr als austauschbar. Für mich ist sie nie wirklich über einen hübsch anzusehenden Love Interest hinaus gewachsen. Was an Jasons Seite vielleicht auch nicht die einfachste Übung ist. Doch auch ein Favorit der Comic-Leser, der Bösewicht Black Manta, wurde für mich nicht ehrfurchtseinflößend rübergebracht. Jeder hätte in dem Superlaserhelm stecken können. Hätte keinen Unterschied gemacht.

Das 5. Element? – © Warner Bros. Pictures

Die ganze Geschichte mit den verschiedenen Völkern unter den Wellen, mit ihren sehr unterschiedlichen Technologien waren wirklich schön dargestellt und haben beim Zuschauen viel Spaß gemacht. Doch es gibt diesen Punkt, an dem alle CGI Battles, egal ob sie zu Lande, im Wasser oder in der Luft spielen, anfangen zu langweilen und/oder einfach zu unübersichtlich werden.

Außerdem hätte Aquaman eine erkennbare Titelmusik gut getan. Ich kann ohne Probleme das Theme von Superman oder die kriegerischen Amazonenklänge von Wonder Woman pfeifen, aber Aquaman? Hatte der Film überhaupt eine Titelmelodie? Ich weiß, dass ich zwischendurch Toto und Depeche Mode gehört habe. Was beides geil zur aktuellen Szene gepasst hat. Aber das waren nur Schnipsel. Ein guter Superheld braucht einfach eine Hymne. Wo war die James Wan? Die wäre wichtiger gewesen als Aquaman am Ende des Films nochmal mega cheesy aus den Wellen springen zu lassen mit den Worten „ICH BIN AQUAMAN!“ No shit, Sherlock!?

Außerdem schien der Regisseur einen explodierenden Wand-Fetisch zu haben. Zählt mal bitte mit, wie oft Gespräche dadurch unterbrochen werden, dass den anwesenden das Mauerwerk um die Ohren fliegt. Amazing.

Aquaman im größeren DC Universum

Und dann waren da natürlich diese Augenrollmomente, die mir immer Rätsel aufgeben. Fällt sowas beim Editing des Films nicht auf?

Das fängt an mit kleineren inhaltlichen Schwächen wie Meras Aussage, dass Aquaman Steppenwolf besiegt hat. Ähm, nein? Er wäre mit den anderen JL-Flaschen Matsch gewesen, wenn Superman Steppenwolf nicht zu Kleinholz geprügelt hätte? Aber ok, da hatte Arthur Curry wohl gute PR-Manager und Lobbyisten. Doch ähnlich wie Marvel bei einigen seiner Filme den Fehler gemacht hat ein größeres Universum zwar anzunehmen, aber nicht bis zu Ende zu denken, macht DC hier denselben Fehler. Atlantis droht an Land zu kriechen und die Welt zu beherrschen? HAHAHAHA. Der Kryptonier wird euch ins Meer zurück werfen und bis zum Erdkern durchprügeln. Wo die Saurier wohnen.

Aber sowas ist ja noch zu verschmerzen und kein großes Ding. Auch wenn man eine Origin-Story wie Aquaman einfach VOR der Justice League hätte spielen lassen können. Problem solved.

Etwas dämlicher wird es nur, wenn Aquaman und Mera unter großem Zeitdruck zu ihrem Ziel unterwegs sind und dafür ein vom Sturm gebeuteltes Boot nehmen. Ähm. Konntet ihr nicht eben noch torpedo-schnell unter Wasser schwimmen? Seufz.

Was kann ich euch als Fazit mit auf den Weg geben, falls ihr Aquaman noch nicht gesehen habt?

Anschauen würde ich ihn mir auf jeden Fall. Es ist ein echt toller Popcorn-Film und Jason ist ein geiler Aquaman, der den blonden Fischflüsterer vergessen macht. Doch ihr solltet schon Bock haben auf Eye Candy und Action, die nicht mehr sein will als genau das. Dann könnt ihr zwischen Tentakeln, Flossen und Glubschaugen ne Menge Spaß haben.

Über Thilo (1213 Artikel)
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