Filmkritik: Cloud Atlas

7 von 10 Latex-Masken

Die Geschwister Wachowski haben es aber auch nicht leicht. Nach The Matrix erwartet die Welt von den visionären Filmemachern nichts Geringeres als Gänsehautkino mit mindestens einem dutzend „Aha-Momenten“ und nie dagewesener Optik und Effekten. Insofern hat es ein Film, welcher auch noch mit einem philosophisch anmutenden und mystischen Titel wie Cloud Atlas – Everything is connected etikettiert ist, natürlich besonders schwer mit dem unsterblichen Glanz eines in Film gegossenen Kulturschocks der späten 90er konkurrieren zu können.

Obwohl ich natürlich wusste, dass man bei neuen Kinofilmen, egal wie groß oder klein der Hype im Vorfeld war, den Ball erst mal flach halten sollte, um entweder nicht enttäuscht oder angenehm überrascht werden zu können, war ich auf Großartiges eingestellt. Fehler. Zumindest teilweise. Denn jetzt bin ich immer noch hin und her gerissen, in welche Schublade ich den Film stecken soll, wenn es überhaupt jemals möglich ist einen Wachowski-Film in nur eine Schublade zu verfrachten. Vermutlich wäre es besser den Film noch 2 oder 3 Mal zu schauen, um eine endgültige Wertung abgeben zu können – was aus Sicht eines anspruchsvollen Publikums natürlich schon ein inhärentes Lob beinhaltet. Doch dafür ist Cloud Atlas mit fast 3 Stunden einfach zu lang und an einigen Stellen auch schlicht und ergreifend zu langweilig.

Wer hier und da ein paar leichte Spoiler hinnehmen kann, darf weiter lesen.

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Zunächst mal ist Cloud Atlas großartiges Unterhaltungskino und verschafft optische Orgasmen en masse. Der Film erzählt 6 verschiedene Geschichten, die in 6 verschiedenen Zeitepochen spielen. Vom Segelschiff, welches sanft im Wind von 1849 wiegt, über die Gegenwart und ein hochtechnisiertes „Neo-Seoul“ in der Zukunft, bis hin in die wieder steinzeitlich anmutende Postapokalypse auf Hawaii.

Ebenfalls spaßig ist die Suche nach den Reinkarnationen der Hauptdarsteller, die in allen Epochen ihre Auftritte haben und teilweise mit beinahe albern aufwendigen Latex-Masken verfremdet wurden. Hugo Weaving als drakonische Krankenschwester des 21. Jahrhunderts beim Quälen von Altersheiminsassen zu erleben oder Hugh Grant dabei zuzusehen, wie er als Menschenfresser in der Postapokalypse das Halsschlagaderblut von seiner Machete leckt, sind erinnerungswürdige Auftritte.

Woran der Film jedoch – zumindest beim ersten Anschauen – IMHO ein wenig krankt, ist seine Überfrachtung. Wir bekommen als Zuschauer fast 3 volle Zeitstunden Symbolik, Storys und Bilder um die Ohren geklatscht, so dass man nach dem Film noch lange mit dem Sortieren seiner überreizten Synapsen beschäftigt ist. Ich bin mir nicht sicher, ob es eine so gute Idee war die 6 Geschichten scheinbar „wild“ ineinander zu flechten, anstatt sie wie in der Buchvorlage von David Mitchell chronologisch aufeinander folgen zu lassen. Im Sinne des Filmuntertitels „Everything is connected“ wären die Auswirkungen der Handlungsstränge zumindest auf das jeweils nächste Zeitalter etwas leichter zu verfolgen gewesen. Allerdings vielleicht auch langweilig anzuschauen. Bin mir da nicht sicher.

Fakt ist, dass es in diesem bildgewaltigen Film jede Menge zu bestaunen und zu entdecken gibt. Dabei tauchen menschliche Grundthemen wie Liebe, Hass und Freundschaft immer wieder auf und lassen die handelnden Charaktere wie auf einer Gesinnungsleiter entsprechend ihrer guten oder bösen Entscheidungen auf und ab wandern. Einzig Hugo Weaving startet als Bösewicht und endet als Bösewicht. Er scheint sein Matrix-Erbe wohl nicht mehr loszuwerden. Einmal Mr. Smith, immer Mr. Smith.

Ansonsten lassen sich Themen wie Zweiklassengesellschaft oder Reinkarnation wie ein roter Faden im Film finden, während andere „Denkanreize“ wie gutes und negatives Karma resultierend aus dem entsprechenden Verhalten hier und da subtiler angedeutet werden. Manches wird sehr offensichtlich verknüpft, wie ein Film, der in der Zukunft geschaut wird, obwohl er verboten ist, und dementsprechend Menschen zum Handeln motiviert, und wieder anderes lässt sich erst beim Bier hinterher in der Kneipe erörtern.

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Insgesamt bietet der Film so viel Symbolik, dass man ihn sicherlich mindestens ein zweites Mal sehen muss, um alles wert zu schätzen. Doch dafür, waren mir einige Szenen in Vergangenheit und Gegenwart zu langatmig und nicht aufregend genug. Die haarsträubendsten Szenen mit Verfolgungsjagden und herum fliegenden Leichen gibt es in Zukunft und Postapokalypse zu bewundern. Wenn es nach mir ginge, hätte der ganze Film in Neo-Seoul spielen können. An der aus Replikanten und Hologrammen bestehenden Bladerunner-Stadt konnte ich mich einfach nicht satt sehen.

Fazit: Die opulenten Bilder allein rechtfertigen schon den Kinobesuch, der glücklicherweise nicht durch albernes 3D getrübt wird. Ich fürchte nur, dass weniger geduldige Menschen wie ich, den Film trotz vieler erinnerungswürdiger Szenen insgesamt einfach zu lang und damit auch häufig zu langweilig finden werden.

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