Filmkritik: Noah – Sinn und Sinnlichkeit der Sintflut

8 von 10 Erdelementaren

Darren Aronofsky kann keine normalen Filme machen. So tickt der Mann nicht. Er muss ständig seinen Passionen folgen und das sind in erster Linie profunde Themen, die gleichermaßen philosphische Gedankenreisen und große Emotionen auslösen. Deshalb gehört Aronofsky auch zu meinen Lieblings-Regisseuren. Und auch nur deshalb habe ich mir Noah angeschaut, weil er die Regie geführt hat. Ansonsten hätte mich der Film vermutlich gar nicht ins Kino locken können. Aber wie erwartet hat Aronofsky dem Thema seinen ganz besonderen Stempel aufgedrückt und durch seine vielschichtigen und starken Bilder einen absolut sehenswerten Film abgeliefert.

Ich muss jedoch gestehen, dass Aronofskys Filme vermutlich kein leicht verdauliches Brot für jedermann sind. Wer sich mal mit dem mathematischen Horror seines schwarzweißen Debütwerks Pi und dessen existentialistischen Implikationen auseinandergesetzt hat, den plagen vermutlich jetzt noch Kopfschmerzen. Hatte ich danach auch. Und zudem hatte ich neben dem Ohrwurm der Titelmelodie unglaublich Lust Philosphie zu studieren, was ich damals dann auch gemacht habe. Ebenso schwer verdaulich, wenn gleich auch wunderschön ist sein Film über Leben, Tod und Wiedergeburt, The Fountain, mit Hugh Jackman und Rachel Weisz. Ich glaube, auch diesen Film liebt oder hasst man. Es gibt wenig dazwischen. Und selbst, wenn sich Aronofsky beim Filmedrehen mal nicht unmittelbar mit Tod, Leben, Liebe und Existenz auseinandersetzt, kommen unglaublich intensive Filme dabei heraus. Wer Black Swan oder den ergreifenden The Wrestler mit Mickey Rourke noch nicht gesehen hat: Nachholen.

Ich wußte es vorher nicht: Die hübsche Zauberschülerin kann auch „ernstere“ Rollen ausdrucksstark rüberbringen.

Ich wußte es vorher nicht: Die hübsche Zauberschülerin kann auch „ernstere“ Rollen ausdrucksstark rüberbringen.

Mit Noah nimmt sich Aronofsky nach dem Ballett-Horror Black Swan nun mal wieder einem epischen Thema an, das seinen Schauspielern eine extreme Palette von Emotionen abverlangt. Allen voran muss Russel Crow seinen inneren Zwiespalt als gefügiger Diener des Allmächtigen und seinen Schuldgefühlen seiner eigenen Rasse gegenüber Ausdruck verleihen, was ihm auch die meiste Zeit gelingt. Aber auch alle anderen Schaupieler sind äußerst überzeugend in ihrer Verkörperung von baldigen Überlebenden einer kollossalen Katastrophe. Jennifer Connelly ist eine wunderbar verzweifelte Frau an der Seite von Noah und ich war mehr als überrascht von der sehr reifen Leistung einer schreienenden und weinenden Emma Watsen, die ihre infantilen Zaubererroben wohl komplett abgelegt hat.

Was den Film für mich ebenfalls sehr sehenswert macht, ist seine „Endzeit“-Atmosphäre. Die fremde Lebensweise der vorsintflutlichen Menschheit, gepaart mit der Optik des Films könnte genausogut die Szenerie eines postapokalyptischen „Mad Max-Streifens“ sein. Hinzu kommt die Verwendung vieler fantastischer Elemente, die von einer Verfilmung alttestamentarischen Stoffs wohl zu erwarten sind. Diese Kombination gibt eine sehr eigene Atmosphäre. Ich muss gestehen ich bin nicht so bibelfest, als dass ich bestätigen oder widerlegen könnte, dass Gott einige Engel bestraft und zu Fall gebracht hat, damit sie ihre Existenz in Form von klobigen Erdelementaren fristen. Aber das spielt auch keine Rolle, denn die Viecher sahen einfach abgefahren aus. Ihr Auftreten im Film war auch nicht ungewöhnlicher oder unwahrscheinlicher als das eines zornigen Gottes, der mal eben alles Leben auf der Erde mit einer gigantischen Flut davon spült.

Aber völlig unabhängig davon, ob ein Zuschauer nun gläubig ist oder nicht – Christen glauben ja ohnehin nur an das Neue Testament, ab dem Auftreten Jesu, und belächeln den „Hokus Pokus“ des alten Testaments – der Film ist einfach sehenswert, weil er eine Gruppe von Menschen in ein äußerst unwahrscheinliches und kaum verkraftbares Szenario wirft und in Folge dessen sehr starke Gefühle und Reaktionen abruft. Ein zentrales Thema des Films dürfte unumstritten „die Familie“ und der Zusammenhalt in einer solchen sein. Aber auch viele andere Themen wie unerschütterlicher Glaube, Selbstzweifel, Überlebenswille, Glauben an die eigene Rasse etc. werden in Aronofsky-typischen Bildern, Traumsequenzen und versteckten kleinen Symbolen im Film stimmig zusammengebracht. Manchmal waren mir seine Diashow-ähnlichen Bilderfolgen etwas zu hektisch, aber insgesamt habe ich seine filmischen Mittel wieder sehr genossen.

Mit Noah hat Aronofsky eine interessante und eindruckvolle Version der Sinflut auf die Leinwand gebracht, die mich bis zur letzten Minute nie glangweilt hat. Eigentlich hatte ich die Befürchtung, dass der bekannte Ausgang der Geschichte – ähnlich wie bei Titanic, wo am Ende eben das Schiff den Eisberg küsst – den Film etwas vorhersehbar und langweilig machen könnte. Doch wenn der Schöpfer seine Drohung wahr macht und der erste Regen einsetzt, folgt lediglich der Höhepunkt einer sehr fesselnden und spannenden Erzählung. Ich werde mir den Film garantiert noch ein paar mal anschauen, um noch ein paar neue Metaphern und Bilder zu entdecken und mich in Überlegungen über Sinn und Unsinn der Menschheit zu verlieren.

Über Thilo (1211 Artikel)
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