Lovecraft Country: Rassisten und weniger schlimme Monster

© Warner Bros.

Tja, eigentlich hat Matt Ruffs Lovecraft Country gar nicht so viel mit dem Necronomicon, Cthulhu und anderen unangenehmen Elder Gods zu tun.

Es ist eher der unverhohlene Rassismus von H. P. Lovecraft, der im Amerika der 50er Jahre sein hässliches Haupt erhebt, und Ruffs Geschichte damit einen passenden Titel verleiht. Aber keine Sorge, Lovecraft spendiert hier nicht nur seinen Rassismus, sondern auch einen kräftigen Schuss übernatürlicher Horror.

Ohne das Buch gelesen zu haben – die belesene Miss Wiki hat mich über alle Unterschiede zwischen Buch und Serie auf dem Laufenden gehalten – war die HBO-Serie ein Fest für mich. Darsteller, Atmosphäre, Horror, einfach alles schlug mich in seinen Bann und ließ mich gelegentlich schlucken. Aber der Reihe nach…

Worum geht’s in HBOs Lovecraft Country?

© Warner Bros.

Mit Hilfe des „Safe Negro Travel Guides“ schlagen sich ein paar Schwarze durch das rassistische Amerika der 50er Jahre. Was sie dabei von Weißen erdulden müssen, hat mich immer wieder vor Abscheu zusammenzucken lassen. Doch als wäre dieser Horror nicht ausreichend, gesellen sich auch noch Hexen, Monster und Geister in die Handlung – am Ende der ersten Folge sogar recht überraschend.

Ein wenig ist das vergleichbar mit dem From Dusk Till Dawn-Schock von 1996. Robert Rodriguez‘ Vampirfilm begann ebenfalls als Roadmovie, entpuppte sich dann jedoch als blutiger Horrorfilm mit Monstern.

Das krasse an Lovecraft Country ist die Durchmischung von Alltagshorror, den die Schwarzen während der Jim-Crow-Ära in den USA erdulden mussten, und übernatürlichen Schrecken, die daneben manchmal fast harmlos wirken. Immerhin unterscheiden blutrünstige Monster nicht nach Hautfarben: Wer ohnehin jeden Tag Angst haben muss, von einem Weißen erschossen zu werden, der verarbeitet auch besser die Realisation, dass es sprichwörtliche Monster gibt, die nach Menschenleben trachten.

Insofern ist die Idee, diese beiden Formen des Horrors in einer Geschichte zu vermischen und zu kontrastieren, genial. Doch ein wenig ironisch und das Makabre streifend ist es trotzdem, dass der weiße Autor Matt Ruff Schwarze auf diese Weise instrumentalisiert, um ein Horrorbuch zu schreiben, durch das er sich nun dumm und dämlich verdient…

Hat hier „der Weiße“ am Ende mal wieder gewonnen?

Aber in diese interpretatorischen Abgründe möchte ich mich nun nicht begeben, sondern lieber weiter eine verdammt unterhaltsame Serie loben.

Schon die erste Folge triefte derart vor Atmosphäre und bedrückendem Rassismus-Horror, dass ich mich fast schäme, dabei eine so gute Zeit gehabt zu haben.

Unfassbar für mich, dass grauenhafte Elemente von Lovecraft Country, wie die „Sundown Rules“ wirklich existiert haben! Da möchte man rückblickend den Wunsch von Futurama-Professor Farnsworth wahr werden lassen: I DONT WANT TO LIVE ON THIS PLANET ANY MORE!

Unfassbar spannend und bedrückend, wie den schwarzen Reisenden ein Polizeiauto folgt, dessen Sheriff sie kurz vor der Grenze seines Countys erschießen darf, sollten sie sich nach Sonnenuntergang noch in diesem aufhalten. Die Zeit drängt. Doch Gas geben dürfen sie auch nicht, denn dann würde der Polizist sie genüsslich wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung anhalten und sie wären verloren. Und als dann die Monster auf den Plan treten, kommt man als Zuschauer nicht mehr umhin sie als Verbündete gegen die furchtbaren Weißen zu sehen.

Jenseits der ersten Folge warten noch viele geniale Einzelepisoden, die zwar alle einen roten Faden haben, jedoch episodisch verschiedene Subgenres des Horrors bedienen. Von der klassischen Geisterhausgeschichte, bis hin zu japanischem Folklorehorror ist einiges dabei.

Schauspielerisch ist dabei besonders lobend das „Haupt-Trio“ zu erwähnen.

Jonathan Majors gibt als Atticus „Tic“ Freeman einen glaubwürdig traumatisierten Ex-Soldaten. Michael K. Williams spielt herrlich seinen mürrischen und gequälten Vater. Und Jurnee Smollett beglückt uns als Letitia „Leti“ Lewis, die NO BULLSHIT-Jugendfreundin von Atticus.

Es gibt einige sehr deutliche Unterschiede zur Romanvorlage, die jedoch laut Miss Wiki alle gelungen sind und geschickt die 8 Episoden der Staffel füllen.

Eine wirklich hochwertige Horror-Serie, die zum Reflektieren einlädt und mit toller Musik und standesgemäßen Effekten dienen kann.

Auch wenn die Lovecraft-Lore selbst eher als Inspiration diente: Klare Empfehlung.

Über Thilo (1213 Artikel)
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