Off to Be the Wizard – oder wie ihr die Matrix hacken könnt

Stellt euch vor, ihr surft so nichtsahnend durch das Internet und findet plötzlich eine mysteriöse Datei. Wahrscheinlich in irgendeiner zwielichtigen Database, wo ihr euch immer abgefilmte Kinofilme oder Bilder für euren ekelerregenden Fetisch besorgt. Und dann findet ihr heraus, dass ihr die Realität verändern könnt, wenn ihr die Datei bearbeitet… weil ihr nämlich – nun nicht mehr zu leugnen – in einem Computerprogramm lebt!

Was würdet ihr mit dieser Macht dann anstellen?

Ich meine, nachdem ihr angesichts der Tatsache, dass die Simulationshypothese tatsächlich wahr ist, ausreichend im Achteck gesprungen seid.

Yep. Genau wie ich. Die Frage wäre nur, wer von uns allen zuerst im Knast landet (wahrscheinlich ich… ich bin ein amoralisches, perverses Drecksschwein).

Genauso passiert es natürlich auch Martin Banks, dem Hobby-Hacker und Protagonisten von Scott Meyers Off to Be the Wizard. Nach ersten vorsichtigeren Veränderungen an besagter Datei, wagt er sich an all die Dinge, die das Leben angenehmer und fauler machen: Er teleportiert sich durch seine Stadt, staffiert sein Apartment neu aus und füllt regelmäßig sein Bankkonto auf. Es ist selbstredend nur eine Frage der Zeit, bis ein paar Gentlemen in dunklen Anzügen vor seiner Tür stehen und gerne ein paar Informationen hätten bezüglich seiner magischen Fähigkeit Geld aus dem Nichts entstehen zu lassen.

Doch glücklicherweise ist Martin vorbereitet. Den Batteriestatus seines Handys hat er bereits auf unendlich gesetzt und eine kleine App installiert, die es ihm ermöglich über Makros wichtige Änderungen an der Realität per Knopfdruck durchzuführen. Unter diesen ist auch ein „Escape“-Knopf, der ihn ins Mittelalter versetzt, falls es wirklich mal hart auf hart kommen sollte. Als dieser Fall in Rekordzeit eintritt, beschließt er das einzig Logische zu tun und sich mit seinen quasi-magischen Fähigkeiten im Mittelalter als Zauberer aufzuspielen.

Zauberer? Ich wäre sofort als Gott hernieder gekommen! Als GOTT, JA GOTT! HAHAHAHAHA! *hust*

Doch natürlich kommt alles ganz anders und welche Überraschung ihn in der Zeit von Hexen, Pest und Teufel erwartet, müsst ihr natürlich selber lesen.

Ist Off to Be the Wizard denn zu empfehlen?

Natürlich, sonst würde ich mir hier doch keinen 8-Bit-Wolf tippen, oder?

Aber sagen wir mal so: Ich bin natürlich ohnehin ein sehr großer Fan von allen Fantasy/Scifi-Büchern, die sich mit virtuellen Welten beschäftigen oder sogar darin spielen.

Off to Be the Wizard ist nicht ganz so rund und teilweise gesellschaftskritisch angehaucht wie Dmitry Rus‘ Play to Live, aber die Grundidee trägt Off to Be the Wizard, trotz kleiner Schwächen, doch erstaunlich weit.

Ein Freund, der es auf Deutsch gelesen hat (nie eine gute Idee, wenn man auch ein englisches Original lesen kann), sagte er hätte die Sprache einfach zu „billig“ gefunden; sprich, es war ihm wohl schlicht nicht gut genug geschrieben.

Das kann ich allerdings aus Sicht der englischen Vorlage nicht bestätigen. Ich finde ohnehin, dass es nur sehr wenige Bücher gibt, die wirklich „schlecht“ im Sinne des Schreiber-Handwerks geschrieben sind. Zumindest nicht, wenn sich ein halbwegs renommierter Verlag des Skripts erbarmt hat. Es gibt nur Bücher, die weniger poetisch und „einfacher“ geschrieben sind. Das finde ich aber nicht allzu schlimm, solange mich die Story halbwegs begeistern kann.

Diese plätschert aber ironischer Weise eher so vor sich hin, bis nach rekordverdächtigen zwei Dritteln des Buchs endlich sowas wie ein Konflikt, mit zugehörigem Spannungsbogen, entsteht. Aber irgendwie bleibt man trotzdem am Ball, weil man neugierig ist, was Martin als nächstes anstellen oder welches Schlamassel ihn als nächstes erwarten wird.

Einige Leser haben auch bemängelt, dass Martin angesichts des teilweise Unaussprechlichen einfach immer zu gelassen bleibt. Ich lebe in einer Matrix und habe nun gottgleiche Kräfte, weil ich die Realität verändern kann? Big Deal.

Aber das hat mich eigentlich weniger gestört. Ich halte ohnehin nichts von der Lovecraftschen Prämisse, dass Menschen im Angesicht des „Übersinnlichen“ sofort dem Wahnsinn anheimfallen würden. Ich glaube, Menschen können Kulturschocks jeglicher Art ganz gut wegstecken und gewöhnen sich überraschend schnell an neue, bis dato unglaubliche, Begebenheiten.

Dass Martin eher gelassen und mit Humor durch die Welt stiefelt, liegt sicher auch daran, dass Scott Meyer nicht nur Autor, sondern auch Comedian und für seinen Webcomic Basic Instructions bekannt ist.

Mein einziger wirklicher Kritikpunkt, der inhaltlich für meinen Geschmack nicht hätte sein müssen, ruiniert den Roman nicht, aber hat schon für ein gewissen Augenrollen gesorgt. Ich will es nicht spoilern, aber es war etwas von der Kragenweite „Mister Bond, ich komme jetzt mit ins Gefängnis, ich schwöre! Könnte ich bitte nur noch mal ganz kurz meine Pistole haben? Ich will ihnen was zeigen…“

Trotzdem hatte ich insgesamt eine sehr unterhaltsame Zeit mit dem Buch und konnte es eigentlich erst aus der Hand legen, als ich es durchgenerdet hatte. Vermutlich liegt es auch daran, dass mich der Autor mit vielen Anspielungen aus den 80ern und seiner eigenen Liebe zu den ersten Home PCs und dem Genre der Fantasy um den Finger gewickelt hat.

Mittlerweile hat Scott Meyer schon 5 Bücher aus seiner Magic 2.0-Reihe veröffentlicht (Off to Be the Wizard (2013), Spell or High Water (2014), An Unwelcome Quest (2015), Fight and Flight (2017), Out of Spite, Out of Mind (2018)), was neben der Empfehlung von Patrick Rothfuss persönlich, ja auch für eine gewisse Unterhaltsamkeit spricht.

Falls ihr meine Kritik hilfreich fandet und auf Martins Abenteuer als Cyber-Wizard neugierig geworden seid, dürft ihre gerne meinen

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benutzen. 🙂

Über Thilo (1210 Artikel)
Hi, ich bin der Gründer dieses bekloppten Blogs. Außerdem Realitätsflüchter, Romantiker, Rollenspieler, Gamer, Fantasynerd, Kneipenphilosoph und hochstufiger Spinner. Manchmal jogge oder schwimme ich, doch meistens trinke ich Bier.