The Last Door: Funktioniert Horror in Pixelmatschoptik?

Ihr kennt das sicher auch: Nach wochenlangem Genuss von Kobe-Rind, Kaviarschnittchen und weißem Trüffel gelüstet es den Gaumen plötzlich nach profaner Schlichtheit.

Nach Currywurst mit Pommes.

Oder Nudeln mit Ketchup.

Bei Spielen geht es mir da ganz ähnlich. Nachdem sich der Nucleus Accumbens in meinem Gehirn für längere Zeit an Triple-A-Games aufgeilen durfte, verspüre ich plötzlich dieses Retro-Kribbeln – diese Gier nach nostalgischen Pixeln und Piepstönen.

Perfekt also, dass mir André von den Videospielgeschichten in seinem neuen Format „15 Minute Crush“ das Point & Click-Adventure The Last Door schmackhaft gemacht hat.

Diese kleine, unscheinbare, beinahe hässliche Perle ist im Crowdfunding entstanden und hat die Schattenseite meiner Seele im Sturm erobert.

The Last Door ist ein Atmosphäre-triefendes Horror-Adventure aus der Schmiede The Game Kitchen.

Darin klickt ihr euch in bester “Lucasarts”-Manier abwechselnd durch die Screens und euer Inventar, um Rätsel von variierendem Schwierigkeitsgrad zu lösen.

Dabei besucht ihr Orte, die sich in der langen Geschichte von schreckhaften Menschen einer Gruselstimmung als besonders zuträglich erwiesen haben: alte Herrenhäuser, zugige Irrenanstalten oder die düsteren Straßen eines viktorianischen Londons.

Ach ja, die Epoche, apropos…

Zu sagen, dass The Last Door heftig von Edgar Allan Poe inspiriert wurde, wäre wohl eine Untertreibung – bei all den Anspielungen auf seine Geschichten und die allgegenwärtigen Raben im Spiel. Doch ebenso verschwenderisch wurde Lovecraft zwischen die Pixel gegossen, um auch den kosmischen Horror und einen gepflegten Wahnsinn nicht zu kurz kommen zu lassen.

Aber funktioniert das mit dem Gruseln in einem Pixel-Game überhaupt?

Ich muss gestehen, anfangs war ich da mehr als skeptisch. Denn teilweise hatte selbst Maniac Mansion eine bessere Grafik zu bieten als The Last Door.

Zwar ist meistens alles gut erkennbar, doch – um mal ein Beispiel zu nennen – bei von der Decke baumelnden Rinderhälften in einem Schlachthaus musste ich schon arg meine Vorstellungskraft spielen lassen, um diese als solche zu erkennen.

Doch genau DAS ist der springende Pixel, äh, Punkt.

Erstaunlicher Weise füllt eure Vorstellungskraft die Lücken zwischen den Pixeln.

In gewisser Weise ist die spartanische Grafik dem Horror sogar zuträglich: Die Pixel legen den Grundstein und eure Fantasie malt das furchtbare Bild zu Ende.

Außerdem bedient sich The Last Door sehr gekonnt an anderen (Stil-)mitteln, um euch genüsslich zu gruseln.

Zum einen wäre da die wirklich gelungene Musik, die meist in Form von Chopin-artigen Klavierklängen melancholisch die Atmosphäre trägt.

Manchmal herrscht auch absolute Stille, die nur vom Heulen des Windes, dem Tropfen von Wasser oder auch dem Schnabel eines Raben an der Fensterscheibe durchbrochen wird.

Mit solch einfachen Mitteln entsteht schon eine verblüffende Immersion, trotz Pixelgrafik.

Hinzu kommen die wirklich wunderschönen Texte in Form von Gesprächen, gefundenen Notizen oder auch mal blutverschmierten Buchstaben an der Wand.

Auch mit Licht wissen die Entwickler zu spielen, verbergen häufig in Dunkelheit, was dem Spieler die Fantasie anregen soll.

Und so steuere ich meinen Pixelhelden nichtsahnend im Licht seiner Öllampe voran, nur um von dem ein oder anderen geschickt platzierten Jump Scare überrascht zu werden.

Wie solche Schockmomente aussehen, will ich hier jetzt natürlich nicht spoilern.

Bleibt mir nur euch eine blutwarme Empfehlung auszusprechen für dieses kleine aber feine Pixelgame.

Ich habe jetzt die ersten vier Episoden durchgespielt und mir sofort die nächsten vier auf Steam besorgt.

Während ich diese Zeilen tippe, sind sowohl The Last Door – Collector’s Edition 1, als auch Teil 2 von 9,99 auf 3,19 runtergesetzt. Ich finde jedoch beide Preise absolut fair. Ein Muss für jeden Poe-Lovecraft-Pixel-Adventure-Fan.

Über Thilo (1200 Artikel)
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