Amazons Tales from the Loop ist leider kein Stranger Things

Tales from the Loop © Amazon

Faszinierend.

Der schwedische Künstler Simon Stålenhag machte zunächst durch seine wunderschönen Bilder von sich reden, auf denen er stets die ländliche Idylle Schwedens mit neofuturistischen Elementen kontrastierte. Oder auf Deutsch: Der Junge malt gerne Roboter auf der Wiese.

Ich fand die Bilder schon immer sehr ansprechend und vor allem auf einer erlebbaren Weise nachvollziehbar. Kennt ihr das, wenn ihr auf einer langen Autofahrt durch ländliche Gebiete fahrt und plötzlich taucht ein alter Förderturm, eine Sternwarte oder ein anderer großer Klotz in der Ferne auf, der so deplatziert wirkt, dass er aus einem Science-Fiction-Film stammen könnte? Wie ein Ufo oder so? So ähnlich fühlen sich Stålenhags Bilder für mich an.

Aber bei den Bildern blieb es ja nicht.

Nachdem, beginnend mit 2014, Bücher zu seinen Bildern erschienen, wurde 2016 erfolgreich das gleichnamige Pen & Paper-Rollenspiel Tales from the Loop finanziert. Darin schlüpfen die Spieler in die Rollen von klischeehaften Teenagern wie „Bücherwurm“, „Sportskanone“ oder „Computer Nerd“, die mit den Nachwirkungen des „Loop“, eines gigantischen Teilchenbeschleunigers, zu kämpfen haben. CERN lässt grüßen.

Diese Stranger Things-„Grundmechanik“ hatte ich mir auch für die nun auf Amazon erschienene TV Serie Tales from the Loop erhofft. Doch leider entscheid man sich für etwas anderes.

Tales from the Loop: Trauriger Technik-Terror?

Eigentlich fand ich den ruhigen und melancholischen Ton der Serie anfangs gut. Die Atmosphäre des Rätselhaften, zu der die fast trostlos anmutenden schwedischen Dörfchen ihren Teil beisteuern, hat mich zunächst neugierig auf mehr gemacht und passte irgendwie zur menschenleeren Corona-Stimmung auf den Straßen hier.

Nur leider ist diese ständig bedrückende Stimmung auf Dauer etwas nervig. Ich habe nun die Hälfte der 8 einstündigen Episoden gesehen und vermisse schon die Stranger Things-Teenager, die mit gelegentlichem Humor ein paar wichtige Kontrastpunkte in der dystopischen Kleinstadt hätten setzen müssen.

Hinzu kommt auf der negativen Seite, dass Tales from the Loop gerne eine Art Country Side-Black Mirror wäre. Doch dafür ist sein Tech-Horror häufig zu wenig durchdacht und schlecht geschrieben.

SPOILER ab hier!

Das fängt schon damit an, dass ich als neuer Geschäftsführer dieser Gesellschaft, die unter Tage im Loop arbeitet, meinen Mitarbeitern befehlen würde ausrangierte Technologie, die das Potenzial hat, die Welt zu zerstören, nicht einfach in den Wald zu schmeißen.

Kletter mal da rein! Was soll denn passieren? Tales from the Loop © Amazon

Ich meine, ich bin jetzt in Folge 4 und die Leute sind im Unterholz schon über wirklich haarsträubenden Kram mit Singularitäts-Potenzial gestolpert. Eine Kugel, mit der zwei Menschen die Körper tauschen können, liegt einfach so im Wald rum und kann durch bloßes darin Platznehmen aktiviert werden. Das ist natürlich völlig unbedenklich. Da im Wald. Wo ständig unsere kleinen Kinder spielen. Ach ja, und die Kapsel im flachen Wasser, mit der sich die Zeit anhalten lässt? Wer hat die da mal ganz professionell entsorgt?

Auch die Darstellung des technischen Quantensprungs ist mir teilweise zu albern und wischiwaschi. Natürlich ist es gefühlvoll und wunderbar intensiv, wenn das asiatische Mädchen die Zeit anhält, um mit ihrer heimlichen Liebe Zeit verbringen zu können. Doch dann sollte die Zeit auch wirklich angehalten sein. Wenn dem Mädel draußen auf der Straße vom Wind die Haare zerzaust werden und sie Gegenstände einfach so bewegen kann (das lässt sich in dem, was wir Zeit nennen, messen!), dann reist mich das aus jeder Illusion. Selbst Dungeons & Dragons hat das bei seinem 9. Grad-Zauber Zeitstopp nachvollziehbarer gelöst, indem alles in der Zeit Eingefrorene steinhart und unverrückbar wird.

Immerhin fand ich die Symbolik der beiden „Handschellen“-Ringe, welche die beiden tragen mussten, um vom Zeitstopp ausgenommen zu sein, auf eine perfide Weise sehr passend. Besonders in Hinsicht auf Ringe, die ja auch Eheleute austauschen, um sich „für immer und ewig“ die Treue zu schwören. Nur Maes Vater, der ihr dann nochmal erklärt, warum Dinge nur durch ihre Vergänglichkeit Wert bekommen, hätten sich die Macher sparen können. Aber vermutlich musste so eine Erklärung für den Mainstream da noch rein?

Also, mein Fazit zu Tales from the Loop: Ruhige, teils melancholische Serie mit typischem Skandinavien-Flair, die mir teilweise jedoch zu langatmig und wenig durchdacht ist. Mystik um der Mystik Willen reißt dieser Tage niemanden mehr vom Hocker. Da funktionieren Simon Stålenhags fantastische Bilder, zu denen jeder seinen ganz eigenen „Film fahren“ kann, einfach besser.

Mal sehen, ob ich mir die letzten Folgen trotzdem noch anschaue. Doch irgendwie verspüre ich gerade mehr Lust mir mal das Rollenspiel näher anzuschauen.

Über Thilo (1200 Artikel)
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